Schäuble und illegale CDU-Parteispenden: Adenauers Werk, Kohls Beitrag
„Schwarze Kassen aus der Zeit von Flick“: Beiläufig verharmlost Schäuble die Zeit, in der Firmen illegal die Union finanzierten.
Es sind nur ein paar kurze Sätze. Fast beiläufig, mitten in der mehr als einstündigen Dokumentation, die am Montag in der ARD ausgestrahlt wird. Aber mit enormer Sprengkraft. „Es gibt keine“, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über die vermeintlichen Spender, denen Helmut Kohl einst sein Ehrenwort gegeben haben will. Die 2,1 Millionen Mark, die der damalige Bundeskanzler persönlich in die Partei eingespeist hatte, stammten aus anderen Quellen. „Weil es aus der Zeit von Flick schwarze Kassen gab.“
Das kollektive Gedächtnis ist kurz und ungenau. Zu Beginn des Jahrhunderts sagte der CDU manch einer das Schicksal der italienischen Democrazia Cristiana voraus, die im Korruptionssumpf untergegangen war. Stattdessen war der CDU-Parteispendenskandal der Auftakt einer beispiellose Karriere: Er spülte Angela Merkel an die Parteispitze. Als sie fünf Jahre später Bundeskanzlerin wurde, war Kohls illegales Finanzierungssystem bereits eine vergessene Episode.
Zu Unrecht. Denn der Hinweis des Altkanzlers auf seine mysteriösen Spender stand schon seinerzeit unter dem massiven Verdacht, eine Notlüge zu sein. So bescheinigte ihm der vom Bundestag eingerichtete Untersuchungsausschuss „Parteispenden“ in seinem Abschlussbericht 2002, es sei „wahrscheinlicher, dass Dr. Kohl diese Spender frei erfunden hat, um im Wege dieser Legende weiteren Fragen des Ausschusses und der Öffentlichkeit nach der wahren Herkunft der Gelder zu begegnen“.
Nach Erkenntnis des Ausschusses hatte das „System Kohl“ seinen Anfang 1973 genommen. Schon in dem Jahr, in dem er den CDU-Vorsitz übernahm sind, „mit Willen von Dr. Kohl“ verdeckte Konten eingerichtet worden, „um über diesen Weg konspirativ Gelder in die CDU einzuschleusen“. Damit setzte er eine Tradition fort, die sein politisches Vorbild Konrad Adenauer begründet hatte. Schon zu dessen Zeiten hatte sich die Union klandestiner Kassen bedient.
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Geld für alle, außer die SPD
Strippenzieher hinter den Kulissen war Adenauers Duzfreund Robert Pferdmenges. Als inoffizieller CDU-Schatzmeister organisierte der schweigsame Kölner Privatbankier zusammen mit dem NS-belasteten Kanzleramtschef Hans Globke die schwarzen Konten, die Adenauer – wie später Kohl – virtuos zur innerparteilichen Loyalitätspflege und Machtstabilisierung nutzte.
Pferdmenges – dessen angeheirateter Onkel ausgerechnet der Sozialist Friedrich Engels war – legte auch den Grundstein für jenes ausgeklügelte Finanzierungssystem, das zum ersten großen Parteispendenskandal Anfang der achtziger Jahre führte – und auf den Schäuble mit seinem Bezug auf „Flick“ abzielte. Denn der umtriebige Pferdmenges fand die Lösung für Adenauers Problem, zwar kräftig Geld aus der Wirtschaft kassieren zu wollen, dabei aber „absolut auch nur den Anschein zu vermeiden, als wenn wir eine Unternehmerpartei wären“.
Dazu dienten Tarnorganisationen, die 1952 in allen Bundesländern zum Spendensammeln gegründet wurden. Zur Koordination entstand das bundesweite „Zentralkuratorium zur Förderung der freien Wirtschaft“, aus dem zwei Jahre später die „Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e.V.“ hervorging. An deren Spitze stand die Crème de la Crème des deutschen Kapitals: Neben Pferdmenges waren Repräsentanten aller wichtigen Wirtschaftsverbände an Bord.
Während die Staatsbürgerliche Vereinigung das Inkasso zunächst bei den fünfzig, später hundert größten Unternehmen und Verbänden in der Republik übernahm, kümmerten sich regionale „Fördergesellschaften“ um kleinere Firmen und Organisationen. Das Zahlungssystem funktionierte nach einem einfachen Prinzip: Unternehmer und Verbände überwiesen monatliche Beiträge an die Organisationen. Deren Aufgabe war es, der Union – an die der Löwenanteil ging – und ihren Satellitenparteien, wie der FDP oder der nationalkonservativen Deutschen Partei, Zuschüsse anzuweisen. Die SPD war natürlich von den Segnungen ausgeschlossen.
Seit 1958 illegal
Für die Wirtschaftselite war das Modell attraktiv. Es ermöglichte anonyme Spenden, die auch noch steuerlich abzugsfähig waren. Außerdem diente es als Disziplinierungsmittel: Wer aus dem Anti-SPD-Block auszuscheren versuchte, dem drohte Sanktionierung. Als die nordrhein-westfälische FDP es 1956 wagte, mit der SPD zu koalieren, wurden ihr umgehend die Gelder gestrichen. Drei Jahre zuvor war das der hessischen CDU passiert, weil sie ein Wahlbündnis mit der FDP abgelehnt hatte.
Sie wurde finanziell solange abgestraft, bis sie klein bei gab. Empörung darüber konnte Konrad Adenauer nicht nachvollziehen. „Die Fördergesellschaft gibt ihr Geld – und daraus hat sie nie einen Hehl gemacht – nicht etwa aus Freude an Wahlen, sondern sie gibt ihr Geld lediglich, damit die Sozialdemokratie geschlagen wird“, sagte er auf einer Bundesvorstandssitzung seinen Parteifreunden.
Es gab nur einen Haken: Spätestens nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1958 war diese Methode der Parteienfinanzierung eindeutig illegal. Zur Vertuschung entstanden deshalb obskure Institute im In- und Ausland, an die die Staatsbürgerliche Vereinigung nun die Unternehmensspenden weiterleitete. Von dort gelangten sie in der Regel über Konten bei der Schweizer Bankgesellschaft an die Parteien.
Ihre Blütezeit erlebte die Staatsbürgerliche Vereinigung nach dem Regierungsverlust der Union Ende der sechziger Jahre. Von Deutscher bis Dresdner Bank, von Karstadt bis Kaufhof, von Mercedes bis Porsche, von Hoechst bis Bayer, von der Marmeladenfabrik Zentis bis zum Waschmittelkonzern Henkel – alle leisteten pflichtschuldig ihren Obolus. Insgesamt verzeichnete die Staatsbürgerliche Vereinigung von 1969 bis 1980 Einnahmen in Höhe von etwa 218 Millionen Mark.
Millionen blieben verschwunden
Ab Mitte der siebziger Jahre kamen Steuerfahnder und Staatsanwälte dem illegalen Finanzierungssystem Schritt für Schritt auf die Spur – letztlich auch der Staatsbürgerlichen Vereinigung. „Oft hat man einen Faden“, sagte ein Ermittler, „dann noch einen Faden, und plötzlich ist es ein ganzes Geflecht.“ Dazu gehörte das Kloster der Steyler Missionare in Sankt Augustin bei Bonn, über das der Düsseldorfer Flick-Konzern mit Vorliebe steuersparende Geldgeschäfte abwickelte.
Die Bemühungen der seinerzeit größten Unternehmensgruppe Deutschlands um die „Pflege der Bonner Landschaft“, wie es der Flick-Generalbevollmächtigte Eberhard von Brauchitsch nannte, waren vielfältig. Der Mischkonzern trug seinen Teil dazu bei, über die Staatsbürgerliche Vereinigung die Republik vor dem Sozialismus zu schützen. Daneben bedachte Flick Politiker und Parteien noch zusätzlich heimlich mit Millionenspenden, um sie für die Ziele des Unternehmens geneigt zu machen.
Bis der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1984 die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, hatten sie und ihre Spender den Fiskus um mehr als 100 Millionen Mark betrogen. 1990 wurde der Verein aufgelöst. Etliche akquirierte Millionen blieben verschwunden. Die offizielle Suche nach dem Geld wurde 1999 ergebnislos eingestellt – genau in dem Jahr, als Kohl die Mär von seinen „anonymen Spendern“ zum Besten gab.
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